Münster. Schon mit der Einführung des neuen pauschalierten Finanzierungssystems auf der Grundlage des Kinderbildungsgesetzes - KiBiz zum Kindergartenjahr 2008/2009 haben die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und die Kirchen als verantwortliche Trägergruppen für die Kindertageseinrichtungen in NRW die damalige Landesregierung darauf aufmerksam gemacht, dass die vorgesehene Finanzierung, verbunden mit einer jährlichen Steigerung um 1,5 %, dauerhaft nicht auskömmlich ist.
Die gesetzlich festgeschriebene jährliche Steigerung um 1,5 % fängt schon allein die durch die tariflichen Vereinbarungen eingetretenen erheblichen zusätzlichen Kosten nicht auf.
Diese Hinweise hat die Freie Wohlfahrtspflege in verschiedenen Anhörungen und in den Verfahren zur Revision des KiBiz gegenüber den politischen Fraktionen und dem Ministerium immer wieder deutlich benannt und darauf hingewiesen, dass mit wachsender finanzieller Schieflage die Aufrechterhaltung des Betriebes von Kindertageseinrichtungen zunehmen gefährdet ist.
Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in NRW erkennen an, dass durch den Landesgesetzgeber im Zuge der Revisionen des KiBiz wesentliche Anregungen und Kritikpunkte der Freien Wohlfahrtspflege aufgenommen und umgesetzt wurden. Leider ist jedoch unserem berechtigten Anliegen zur Erhöhung der Pauschalen bislang nicht gefolgt worden. Mit der Annahme einer möglichen Konnexitätsrelevanz wurden bis heute keine spürbaren Entlastungen für die Träger von Kindertageseinrichtungen umgesetzt.
Der Hinweis, dass die notwendige finanzielle Anpassung durch die Erhöhung der Pauschalen und die Anhebung der jährlichen Steigerungsrate von bisher 1,5 % vermutlich am Konnexitätsgesetz scheitern könnte, verhindert die erforderliche weitere Entwicklung des Gesamtbereiches der Kindertagesbetreuung. Vonseiten der Freien Wohlfahrtspflege besteht mit Blick auf die Kinder, deren Familien und vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz kein Verständnis für diese Haltung, denn nach unserer Einschätzung handelt es sich bei der Anhebung der Pauschalen weder um die Übertragung einer neuen Aufgabe noch um die Veränderung einer bestehenden Aufgabe inhaltlicher Art mit wesentlichen Auswirkungen.
Der zügige und umfassende Ausbau der Plätze für Kinder unter 3 Jahren, an dem sich die Freien Träger in großem Umfang über ihr bisheriges Engagement hinaus beteiligt haben, hat aufgrund der notwendigen zu schaffenden qualitativen Rahmenbedingungen noch zu zusätzlichen Belastungen geführt, ohne dass sich dies auf der anderen Seite in der Höhe der Pauschalen niedergeschlagen hätte. Nur durch das verstärkte Engagement der Freien Träger und der Kirchen war es den Kommunen und dem Land möglich, den geforderten Rechtsanspruch für Kinder ab dem 1. Lebensjahr umzusetzen. Nun müssen alle Verantwortlichen (Land, Kommunen und Träger) mit dazu beitragen, dass das Gesamtsystem den Aufgaben entsprechend finanziert wird und nicht immer weitere zusätzliche, allein vom Land oder den Trägern finanzierte, Sondersachverhalte entstehen.
Die im Antrag der CDU vom 21.04.2015 dargestellte dramatische finanzielle Situation in der Kindertagesbetreuung wird zu Schließungen führen müssen, denn die bereits entstandenen Defizite können von den Trägern allein nicht getragen werden. Viele Träger verhandeln bereits mit den Kommunen, um eine kommunale Mitfinanzierung der entstandenen Defizite zu erreichen. Die Freie Wohlfahrtspflege hat wiederholt - auch gegenüber den im Landtag vertretenen Fraktionen interveniert - und eine Anpassung der KiBiz-Pauschalen an die reale Kostenentwicklung gefordert. Dieser Forderung ist die Landesregierung bislang nicht gefolgt.
Das Fundament des gesamten Finanzierungssystems zur Umsetzung des Auftrages von Kindertageseinrichtungen ist nicht mehr gesichert, da die im Gesetz vorgesehene Anhebung der Pauschalen und die tatsächliche Kostenentwicklung immer weiter auseinanderklaffen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist davon auszugehen, dass eine große Anzahl von freien Trägern über 2015 hinaus nicht mehr in der Lage sein werden, den Betrieb ihrer Einrichtungen aufrechtzuerhalten und in der Folge ihre Kindertageseinrichtungen den Kommunen anbieten wird.
Die Gründe für diese Entwicklung sind auf der Landesebene hinreichend bekannt.
a) Die in den vergangenen Jahren ausgehandelten Tariferhöhungen des Öffentlichen Dienstes, die auch von den Freien Trägern und den Kirchen übernommen wurden, wirken sich durch die damit verbundenen Personalkostensteigerungen gravierend auf das gesamte Finanzierungssystem der Tageseinrichtungen für Kinder aus. Etwa 85 % der Gesamtkosten sind Personalkosten, was dazu führt, dass die finanzielle Grundlage zum Betreib einer Kindertageseinrichtung nicht mehr stimmig ist. Die Freien Träger wollen die deutliche tarifliche Erhöhung, der auch die kommunalen Arbeitgeber zugestimmt haben, nicht unterlaufen und wollen auch zukünftig entsprechende Erhöhungen im Rahmen der Anpassung der eigenen Tarifwerke übernehmen. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt des Fachkräftemangels und der Wettbewerbsfähigkeit von Freien Trägern gegenüber kommunalen Arbeitgebern ein wesentlicher Aspekt.
b) Der umfangreiche Ausbau der Plätze für Kinder unter 3 Jahren hat dazu geführt. dass in fast allen vorgehaltenen Gruppen der Freien Träger inzwischen auch Kinder unter 3 Jahren betreut werden. Aufgrund der fachlich notwendigen Verringerung der Platzzahl, den vermehrten pflegerischen Aufgaben und den gestiegenen Anforderungen an Inklusion und die Erfüllung des Bildungsauftrages, entstehen durch den damit verbundenen Einsatz von Fachpersonal bei verringerten Kinderzahlen deutlich höhere Personalkosten.
c) Darüber hinaus nehmen Eltern fast flächendeckend zunehmend das Angebot der Über-Mittag-Betreuung in Anspruch. Diese zusätzliche Aufgabe erfordert den Einsatz von zusätzlichen Kräften, die für die Zubereitung des Mittagessens Sorge tragen und die Fachkräfte in der Mittagssituation entlasten. Auch diese Entwicklung trägt zu einem Anstieg der Personalkosten bei, der auch mit der vom Land getragenen Verfügungspauschale nicht abgedeckt werden kann.
d) Durch die Schaffung von Plätzen für Kinder unter 3 Jahren waren die Träger der Kindertageseinrichtungen aus fachlichen Erwägungen gezwungen, das vorhandene Raumprogramm entsprechend auszuweiten. Diese Entwicklung führte zu deutlich gestiegenen Betriebs- und Sachkosten, die bei der Berechnung der Pauschalen zum Zeitpunkt der Einführung des KiBiz überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Der Mehrbedarf an Sachkosten ist zwar zu einem großen teil durch die notwendige Erweiterung der Betriebsflächen entstanden. Weitere Ursachen sind aber auch die generelle Steigerung der Energiekosten sowie notwendiger Brandschutz- und Sicherheitsauflagen.
e) Mit der letzten Revision des Kinderbildungsgesetzes war auch eine Schärfung des Bildungsauftrages seitens des Landesgesetzgebers verbunden. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege unterstützen dieses Anliegen des Gesetzgebers ausdrücklich. Die Erfüllung des Bildungsauftrages setzt aber eine ausreichende, fachliche qualifizierte personelle Besetzung voraus, die unter den aktuellen finanziellen Rahmenbedingungen nicht immer und immer weniger gewährleistet ist. In vielen Einrichtungen kann inzwischen der im KiBiz festgelegte und fachlich erforderliche Personalwert nicht mehr umgesetzt werden, Freistellungsanteile für die Leitungen wurden erheblich reduziert und werden weiter reduziert werden müssen. Die finanzielle Situation der Einrichtungen ermöglicht lediglich eine Orientierung an der Mindestpersonalausstattung.
Die Weiterführung des Betriebes von Kindertageseinrichtungen erfordert seitens der Träger inzwischen den Einsatz nicht unerheblicher zusätzlicher Mittel. Da die zur Verfügung stehenden Finanzmittel vollständig für den laufenden Betrieb verausgabt werden müssen, sind die Träger der Kindertageseinrichtungen zudem nicht mehr in der Lage, notwendige Rücklagen für Instandhaltungsmaßnahmen oder erforderliche Investitionen zu bilden. Die Zukunftsfähigkeit von Kindertages-einrichtungen wird damit gefährdet.
Die Landesarbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege geht davon aus, dass die aktuell laufende Erhebung der Finanzdaten für 200 Kindertageseinrichtungen die Nichtauskömmlichkeit der Pauschalen für die meisten Träger bestätigen wird.
Vor dem Hintergrund der noch nicht abgeschlossenen laufenden Tarifverhandlungen zum Manteltarifvertrag TVöD- SuE in 2015, deren Ergebnis in den Grundzügen auch die Freien Träger übernehmen wollen, gehen wir von einer weiteren deutlichen Personalkostensteigerung und damit von einer Zuspitzung der dargestellten finanziellen Problemlage aus. Abgesehen von der strukturellen Aufwertung im Rahmen der laufenden Verhandlungen, werden überdies ab März 2016 die Tabellenentgelte neu verhandelt werden.
Nach diversen Gesprächen mit Vertreter/innen der Landtagsfraktionen in den vergangenen Wochen erwarten wir im Zuge der anstehenden Haushaltsberatungen für 2016 strukturelle Verbesserungen in der Finanzierung der Kindertagesbetreuung, die es den Trägern ermöglichen, den laufenden Betrieb ihrer Einrichtungen im Interesse von Kindern und Familien bis zu einer möglichen neuen gesetzlichen Regelung sicher zu stellen. Dabei gehen wir davon aus, dass dauerhaft die Finanzierung durch Beteiligung des Landes, der Kommunen und der Träger gewährleistet wird. Losgelöst von der Frage einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Finanzierung der Kindertageseinrichtungen, benötigen die Träger zur Absicherung der Weiterführung der Einrichtungen kurzfristig eine Lösung, die bereits mit Beginn des Haushaltsjahres 2016 zum Tragen kommen müsste.
Die Freien Träger wollen weiterhin als verlässliche Partner im Feld der Kinder- und Jugendhilfe tätig sein, dazu bedarf es aber einer auskömmlichen Finanzierung des im Kinderbildungsgesetz formulierten Bildungsauftrages. Sonst ist zu befürchten, dass auch alle mit der letzten Stufe der Revision und auf der Basis der mit dem Kinderbildungsgesetz verfolgten Zielsetzungen der Qualitätssteigerung der Arbeit in Kindertageseinrichtungen ins Leere laufen.