Die Wohlfahrtsverbände in NRW sehen beachtliche Mängel in der medizinischen Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung oder Behinderung. So gibt es heute in Nordrhein-Westfalen beispielsweise kaum Angebote für die professionelle Unterstützung psychisch Kranker in ihren eigenen vier Wänden. Und das, obwohl ein bereits vor zehn Jahren in Kraft getretenes Bundesgesetz genau das vorsieht.
Menschen mit einer seelischen Erkrankung benötigen oft eine aktive, sie aufsuchende Unterstützung, weil sie häufig ihre eigene Wohnung kaum noch verlassen. Im Rahmen sogenannter Soziotherapie bekämen diese Menschen Fachkräfte zur Seite gestellt, die sie zuhause besuchen und bei der medizinischen Behandlung unterstützen. »Soziotherapie ist medizinisch sinnvoll, politisch gewollt und seit zehn Jahren auch gesetzlich geregelt. Doch was in anderen Bundesländern funktioniert, bereitet in NRW offensichtlich Probleme. Denn hierzulande sind diese Angebote nicht nur weitgehend unbekannt, sondern im Grunde faktisch nicht existent«, sagt Hermann Zaum, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW. »Hier liegt der Ball bei den Krankenkassen. Denn sie sind es, die entsprechende Angebote freier Träger genehmigen und finanzieren müssen«, so Zaum weiter.
Auf der Mängelliste der Wohlfahrtsverbände stehen zudem die Versorgung mit Angeboten der Psychotherapie und der ambulanten Rehabilitation für Schwerkranke: Hier gibt es schlicht zu wenig Plätze, letztere wird in ganz Nordrhein-Westfalen sogar nur in drei Städten — in Köln, Aachen und Neuss — überhaupt angeboten. Rund 5000 Angebote allein für Soziotherapie fehlen nach Schätzung der Wohlfahrtsverbände in NRW. Angebote, die dringend geschaffen werden müssen, um angemessen auf den Trend der Zunahme psychischer Erkrankungen reagieren zu können und die Perspektiven für seelisch erkrankte Menschen zu verbessern.
Zaum: »Fehlende Therapieplätze drängen die Betroffenen in die medikamentöse Behandlung — mit allen negativen Folgen, die Psychopharmaka mit sich bringen können. Mit ambulanten Angeboten hingegen können für die Betroffenen mitunter fatale und für die Gesellschaft teure Klinikaufenthalte verhindert werden.«