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Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | FAQ Sozialleistungen und der geplanten Bezahlkarte für Asylsuchende

FAQ zu Sozialleistungen und der geplanten Bezahlkarte für Asylsuchende

Asylsuchende sind auf Leistungen angewiesen während ihres teilweise jahrelangen Asylverfahrens. Sie dürfen monatelang keine Arbeit aufnehmen, müssen teilweise isoliert in Sammelunterkünften leben und dürfen sich im Bundesgebiet nicht frei bewegen. Sie haben in der Regel rund 200,00 Euro Bargeld im Monat zur Verfügung. Das Grundgesetz (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) gewährt allen Menschen das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Aufenthaltsstatus. Einschränkungen im AsylbLG hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder beanstandet.[1]

 


[1] BVerfG, Urteil 18.07.2012; BVerfG, Urteil 19.10.2022; Wissenschaftlicher Dienst Bundestag: Gutachten (2023).

Jedes Kreditinstitut, das grundsätzlich Zahlungskonten für Verbraucher*innen anbietet, ist auch verpflichtet, ein Basiskonto für Geflüchtete und Geduldete einzurichten. Es ist ein Girokonto, das unabhängig von einer Kreditwürdigkeit eröffnet werden kann und den Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr sicherstellt. Das Basiskonto muss mindestens genutzt werden können für Ein- und Auszahlungen in bar, Lastschriften, Überweisungen und Daueraufträge sowie Kartenzahlungen. Als Identitätsnachweis ist bei Asylsuchenden mindestens der amtliche Ankunftsnachweis (§63a AsylG), bei Geduldeten die Duldungsbescheinigung (§ 60a Abs. 4 AufenthG) grundsätzlich ausreichend.[1]

 


[1] Hinweise zum Basiskonto: Verbraucherzentrale; BaFin

Die Bargeldverfügung kann nach derzeitigen Planungen der Bezahlkarte auf einen ganz niedrigen Betrag reduziert werden. Überweisungen sollen nicht möglich sein. Die Menschen sollen möglichst nur noch an ihrem Wohnort und nur bei bestimmten Händlergruppen einkaufen dürfen. Damit sind individuelle Einsparungen z.B. durch Gebrauchthandel und die Deckung des individuellen Bedarfs nicht möglich.

Nein, wenn das Sozialamt Leistungen ohnehin per Kontoüberweisung an die Empfänger*innen übermittelt. Das Aufladen der Bezahlkarte bedeutet verwaltungstechnisch denselben Aufwand wie eine Überweisung der Leistungen auf das jeweilige Bankkonto. Mit der Umstellung auf die Bezahlkarte erhöht sich der Verwaltungsaufwand voraussichtlich eher. Nur in Erstaufnahmeeinrichtungen könnte sich durch die Bezahlkarte oder Überweisung auf ein Basiskonto der Aufwand zur aktuellen Praxis (Bargeldausgabe) verringern.

Überlegungen, einen eingeschränkten Datenabruf im Ausländerzentralregister (AZR) durch den Bezahldienstleister zuzulassen und eine Verknüpfung mit der AZR-Nummer sind abzulehnen. Ebenso muss ausgeschlossen werden, dass bei Festlegung der Bargeldhöhe durch Sachbearbeitende in den Behörden nachvollziehbar ist, was jede einzelne Person wo eingekauft hat.

Es gibt keine Evidenz, dass in nennenswertem Umfang Sozialleistungen in Herkunftsländer zurück gesendet oder gar Schlepperkosten damit bezahlt werden. Die unter dem Regelsatz der Sozialhilfe liegenden Leistungen sind so gering, dass davon keine Einsparungen möglich sind. Geld an Angehörige ins Ausland überweisen diejenigen, die eigenes Geld verdienen, die meisten stammen aus anderen EU-Staaten, zeigen die Daten der Bundesbank.[1]

 


[1] Bundesbank: Heimatüberweisungen (2019-2023)

Menschen suchen in Deutschland Schutz vor Krieg, Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung, das wird in den meisten Fällen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder die Gerichte bestätigt.[1] Verschiedene Studien[2], u.a. des BAMF, zeigen, dass die Höhe und Art der Auszahlung der Sozialleistungen in einem Land wenig relevant ist. Vielmehr ist für Menschen ausschlaggebend, ob sie in einem Land Sicherheit finden, ob Familienangehörige vor Ort und Sprachkenntnisse vorhanden sind oder ob es Arbeitsmarktchancen gibt. Als Steuerungsinstrument von Migration oder zur Senkung der Asylantragszahl eignet sich die Bezahlkarte nicht. Eine kurze Verfahrensdauer mit effektivem Rechtschutz wäre eine sinnvollere Lösung zur Entlastung – für Antragsstellende und Verwaltung.

 


[1] Über 70 % der Antragsstellende erhielten im ersten Halbjahr 2023 Schutz: BT-Drucksache 20/8222: Ergänzende Informationen Asylstatistik (05.09.2023)

[2] BAMF/Forschungsbericht 19: Warum Deutschland? (2013); Wissenschaftlicher Dienst Deutscher Bundestag: Dokumentation Push- und Pull-Faktoren in der Migrationsforschung (2020); Mediendienst Integration: Unterbringung und Versorgung (2023).

Die Kosten der Bezahlkarte – neben dem zusätzlichen personellen Aufwand – haben die Bundesländer, die Landkreise und Kommunen zu tragen. Es gibt derzeit keine validen Daten über die Bereitstellung der Karten, des IT-Systems und die laufenden Kosten an die Bezahldienstleister. Nach Presseinformationen könnte eine Bezahlkarte allein für ein einzelnes Bundesland knapp zehn Mio. Euro jährlich kosten. Es können Kosten für einzelne Buchungsvorgänge anfallen, in Hamburg kostet jede Bargeldabhebung am Automaten 2,00 Euro.