„Wir wollen endlich die Möglichkeit haben, bei Entscheidungen, die uns betreffen, mitzubestimmen. Wir wissen, welche Ängste und Sorgen wir haben, weil man uns nicht teilhaben lässt. Wichtig ist, uns in allen Bereichen teilhaben zu lassen, die uns betreffen. Als Behinderte, als Kranke, als Rentner“, sagte Angelika Zwering, die mit einer kleinen Rente auskommen muss, in ihrer Begrüßung der knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kölner Treffens. Die Rentnerin engagiert sich in mehreren Vereinen und Initiativen. Ziel müsse es sein, so die Monheimerin, als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Dr. Frank-Johannes Hensel, Direktor des Diözesan-Caritasverbandes Köln und Vorsitzender des Arbeitsausschusses Armut und Sozialberichterstattung der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen, stellte mit Bedauern fest, „dass wir über so viele Jahre über so viele Dinge noch sprechen müssen.“ Armut wird häufig ausgeblendet. Im politischen Raum werde eher über Arme als mit armen Menschen geredet. „Ihre Stimme zählt“, ermutigte er die in Köln Versammelten.
Dem Netzwerktreffen war ein Schulungstag vorausgegangen. Der Trainingstag in Sachen Teilhabe knüpft an das erste landesweite Armutstreffen 2018 an. Bedürfnisse, Interessen und Ansprüche müssen auch durchgesetzt werden. Auf dem Amt, gegenüber der Politik, mit sozialen Medien oder auch in der eigenen Selbsthilfegruppe. Geübt wurde etwa, was man tun kann, wenn der Sachbearbeiter beim Jobcenter oder einem anderen Amt die Antragstellerin nicht zu Wort kommen lässt. Ein weiteres Schulungs- und Übungsthema war der Umgang mit sozialen Medien. Facebook, Instagram oder Twitter können helfen, laut und öffentlich die politische Kommunikation mitzugestalten; zugleich sollte man mit den eigenen Daten sorgsam und sicher umgehen können.
Beim Vernetzungstreffen wurden in den Arbeits- und Dialoggruppen Chancen und Strategien für wirksame Teilhabe in den unterschiedlichsten Feldern ausgelotet. Ilse Kramer, die schon lange und kräftig aktiv ist in Sachen Selbsthilfe, forderte die Menschen mit Armutserfahrung auf, auch selbst aktiv zu werden. Fehlendes eigenes Engagement sei auch eine Teilhabebarriere. Sozialexperte Martin Debener berichtete, dass die guten Möglichkeiten der aktiven, bürgerschaftlichen Einmischung von Kommunalpolitik bis zum Landtag viel zu wenig ergriffen würden. Menschen mit Armutserfahrung machten sich zu selten sichtbar. Mit Besuchen im Stadtrat oder mit Einladungen an Kommunalpolitiker werden die Menschen in der politischen Diskussion präsenter. Die offenen Fraktionssitzungen der Parteien könne man ebenso nutzen wie den Petitionsausschuss des Landtags. Eine soziale Bewegung brauche gute Ideen, viele Teilnehmende und eine hohe mediale Aufmerksamkeit, darin waren sich junge Studierende, die Menschen mit Armutserfahrung als Experten in eigener Sache und auch die Älteren mit ihren Erfahrungen in Protestbewegungen in der alten Bundesrepublik einig. Außerdem macht der gemeinsame Einsatz für echte Teilhabe auch Spaß.
Die Freie Wohlfahrtspflege, so versicherte Michaela Hofmann, Armutsexpertin beim Diözesan-Caritasverband Köln, wird weiterhin Menschen mit geringem Einkommen Plattformen für gegenseitige Information, für qualifizierte Beratung, für Vernetzung und für politische Teilhabe bieten.