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Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | Detail

Wohlfahrtsverbände sehen neue Nöte am Arbeitsmarkt

Sie werden oft übersehen am Arbeitsmarkt und gehören in der Pandemie zu den großen Verlierern: die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist nach 14 Monaten Corona-Krise sprunghaft angestiegen. „Diese Menschen drohen abgehängt zu bleiben, wenn die Konjunktur bald wieder anzieht“, mahnt der Vorsitzende der LAG Freie Wohlfahrtspflege NRW, Dr. Frank Johannes Hensel. Es drohe mehr verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit.

Im Vergleich zum März 2020 ist in Nordrhein-Westfalen die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 39 Prozent auf über 335.000 Personen im Mai 2021 gestiegen. Das zeigt der aktuelle Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Als langzeitarbeitslos gelten Personen, die länger als 12 Monate arbeitslos gemeldet sind. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Arbeitslosen liegt in NRW nun bei erschreckenden 45,8 Prozent. „Aus der Langzeitarbeitslosigkeit in die Erwerbsarbeit einzusteigen, ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie noch schwieriger geworden“, sagt der LAG-Vorsitzende Hensel. Selbst Unternehmen, die nicht direkt vom Lockdown betroffen seien, hätten in wirtschaftlich unsicheren Zeiten kaum Spielraum für Neueinstellungen gehabt. „Wer arbeitslos wurde, fand wegen Corona nicht so schnell einen neuen Job und deswegen sind mehr Arbeitslose als früher nun in die Langzeitarbeitslosigkeit gerutscht.“ Hensel fordert die schnelle und gezielte Unterstützung Langzeitarbeitsloser mit Angeboten der Beratung, Qualifizierung und öffentlich geförderter Beschäftigung. „Wir müssen das jetzt tun, um dem Aufwuchs und der Verfestigung der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Die Chancen für den Wiedereinstieg in Arbeit sinken für langzeitarbeitslose Menschen nachgewiesenermaßen praktisch von Monat zu Monat.

Langfristige Auswirkungen von Corona

Manche Auswirkungen von Corona werden jetzt erst deutlich: Mehr und mehr Menschen tauchen in der Statistik auf, die aufgrund der Krise ihre Arbeit verloren oder den Einstieg in Arbeit nicht geschafft haben und nun als langzeitarbeitslos geführt werden. Die Zahl derjenigen Langzeitarbeitslosen, die zwischen 12 und 24 Monaten arbeitslos sind, ist im Vorjahresvergleich sogar um 57 Prozent gestiegen.

Hensel: „Wir müssen jetzt aktiv handeln! Es wäre fahrlässig und naiv, allein darauf zu vertrauen, dass demnächst die Konjunktur wieder anspringt und die neuen Langzeitarbeitslosen schon irgendwie wieder aufnimmt. Das Gegenteil ist der Fall: Langzeitarbeitslose werden dann am Markt in ungewollter Konkurrenz zu zahlreichen anderen Personen stehen, die aus Schule, Ausbildung, Studium oder aus der Kurzzeitarbeitslosigkeit in eine Arbeitsstelle wollen – und sie haben da im Allgemeinen das Nachsehen.“

Die Freie Wohlfahrtspflege fordert neben beruflicher Weiterqualifizierung verstärkt Coaching und psycho-soziale Beratung sowie niedrigschwellige offene Beratungs- und Begegnungsangebote im Sozialraum. „Die Beratungsstellen Arbeit in NRW sind beispielsweise gerade jetzt enorm wichtig, damit Langzeitarbeitslose Ermutigung, Unterstützung und solidarischen Rückhalt erfahren können“, so Hensel.

Der Arbeitslosenreport der Wohlfahrtsverbände belegt, dass in NRW vor allem Personen ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss am stärksten von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind. Allerdings hat in der Corona-Krise die Gruppe der Langzeitarbeitslosen mit akademischer Ausbildung den höchsten Zuwachs erfahren.

Warnung vor einer „Generation Corona“

Schaut man auf das Alter der Langzeitarbeitslosen, fällt auf, dass der stärkste Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit bei jüngeren und jüngsten Altersgruppen zu verzeichnen ist. Im Mai 2021 waren in NRW 11.048 Personen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren und 67.751 Personen zwischen 25 und 35 Jahren bereits ein Jahr oder länger arbeitslos. „Diese Zahlen beunruhigen zutiefst“, sagt Hensel und warnt vor einer „Generation Corona“. Gerade in diesen Altersgruppen könne man viel erreichen mit Bildungsberatung, Bildungsbegleitung und einer Art „Bildungsbonus“ für die, die sich beruflich neu orientieren und eine längere Qualifizierung absolvieren wollen.“

Hintergrund: Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den „Arbeitslosenreport NRW“. Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.

 

In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich 16 Spitzenverbände in sechs Verbandsgruppen zusammengeschlossen. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit.