Direkt zum Inhalt der Seite springen

Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | Detail

Alt werden in vertrauter Umgebung

Wohlfahrtsverbände fördern Quartiersentwicklung als Antwort auf den demografischen Wandel

Gelsenkirchen — »Konsequent vom Menschen und seinen Bedürfnissen aus zu denken und zu handeln«, ist der Ansatz in Konzepten zur Quartiersentwicklung. Das betonte der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (LAG) Andreas Meiwes am Mittwoch auf der Fachtagung »Hier bin ich zu Haus!« in Gelsenkirchen. Immer mehr Menschen wollten im Alter selbstbestimmt leben und in ihrem gewohnten Umfeld wohnen bleiben. Dafür müssten jedoch die Wohnviertel ihre Struktur verändern. »Alte Menschen brauchen in der Nähe einen Lebensmittelladen, Arzt, Apotheker, gastronomische Angebote, aber auch gute Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr und Kulturtreff«, unterstrich Meiwes. »Im Vordergrund stehen jedoch auch Forderungen nach Aktivierung von Selbsthilfe und Eigeninitiative und der Mitwirkung statt Fürsorge«, betonte Meiwes.

Neben ehrenamtlichem Engagement bedürfe es aber auch »dringend des Ausbaus und der Sicherung professioneller Hilfen, um die nötigen Netzwerke zu knüpfen, Kooperationen aufzubauen und Moderationsprozesse zu gewährleisten«, sagte Meiwes. Verschiedene Projekte hätten gezeigt, dass es ohne einen »Kümmerer« oder einer vergleichbaren Form der Koordination nicht möglich sei, eine gelungene Quartiersarbeit umzusetzen. Bereits heute kristallisierten sich neue Berufsprofile heraus. Die Freie Wohlfahrtspflege fordere, dass Quartiersentwicklung und Sozialraumorientierung Leitprinzipien für eine flächendeckende und verlässliche Pflegeplanung sein müssten. »Quartiersentwicklung kann nur durch eine dauerhafte finanzielle Unterstützung von Seiten des Landes realisiert werden«, betonte der LAG-Vorsitzende.

Nur wenn es gelinge, möglichst vielen Menschen bis ins hohe Alter ein Leben in ihrem vertrauten Quartier zu ermöglichen, seien die Herausforderungen des demographischen Wandels zu meistern, betonte die NRW-Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, Barbara Steffens (Grüne) bei der Tagung. »Die individuelle Lebensgestaltung hört nicht in einem bestimmten Alter auf. Die meisten Menschen wünschen sich auch im Alter ein selbstbestimmtes Leben — auch bei Unterstützungsbedarf und Pflegebedürftigkeit", sagte die Ministerin. "Die meisten Menschen wollen eben nicht in ein Pflegeheim, sondern zu Hause bleiben und sich dort selbst versorgen oder dort so viel Unterstützung erhalten, wie sie brauchen. Zu Hause fühlen sich die meisten Menschen am wohlsten — auch bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit«, so Steffens weiter.

Deshalb sei es dringend notwendig, den Menschen im Alter mit tragfähigen Quartierskonzepten ein selbstbestimmtes Leben zu Hause zu ermöglichen. Die Konzepte erfordern Handeln an vielen »Baustellen«. Denn vielfältig wie die Bedarfe müssen auch die Angebote für die Menschen sein.

Die Landesregierung will Kommunen dabei unterstützen. Im Rahmen eines "Masterplan Quartier NRW" will das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter Kommunen eine Art Baukasten zur Verfügung stellen, der ihnen dabei hilft, die Situation vor Ort zunächst individuell zu analysieren. In einem zweiten Schritt sollen die Kommunen mit dem "Baukasten" passgenaue Lösungen für ihre in Nordrhein-Westfalen sehr unterschiedlichen Ausgangslagen und Rahmenbedingungen entwickeln können.

Der LAG-Vorsitzende Meiwes forderte in seinem Schlusswort auf der Tagung eine Abkehr von den abgegrenzten Versorgungs-»Säulen« in ambulanten, stationären, hauswirtschaftlichen Diensten, Gesundheits-, Behinderten- und Altenhilfe. Vernetztes Denken sei nicht nur in den Diensten und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege gefordert, sondern vor allem auch bei Land und Kommunen, Kranken- und Pflegekassen sowie den Landschaftverbänden in NRW.

Hintergrund demografischer Wandel in NRW (Prognosen des MGEPA):

Die Einwohnerzahl in NRW sinkt bis 2030 um 500.000 Menschen.
Die Zahl der unter 18-jährigen sinkt bis 2030 von 3,1 auf 2,7 Mio.
Die Zahl der Menschen über 65 steigt bis 2030 von 3,6 auf 4,7 Mio.
Die Zahl der über 80-jährigen steigt von 0,9 auf 1,4 Mio. Menschen.
Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt von 509.000 (im Jahr 2008) auf 709.000 (in 2030).