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Stellungnahme zum Antrag der FDP-Fraktion „Die KI-ta für Nordrhein-Westfalen – Künstliche Intelligenz für moderne und zukunftsfähige frühkindliche Bildung“ (LT-Drs. 18/13818)

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW (LAG FW NRW) bedankt sich für die Möglichkeit der Stellungnahme zum Antrag sowie für die Einladung zur Anhörung. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW begrüßt die Initiative, die Potenziale Künstlicher Intelli-genz (KI) für die frühkindliche Bildung zu erschließen. Wir sehen in diesen Technologien eine Chance, die Qualität zu sichern und die Zukunftsfähigkeit unserer Bildungslandschaft zu stärken.

1. Die pädagogische Grundsatzfrage: Beziehungsarbeit und Ressourcen

Unsere Position ist klar: Frühkindliche Bildung ist in ihrem Kern Beziehungsarbeit. Kinder entwickeln ihre Kompetenzen in vertrauensvollen Interaktionen mit pädagogischen Fachkräften und Gleichaltrigen. Der Einsatz von KI kann administrative Prozesse entlasten, darf aber die Kernaufgaben und die pädagogische Verantwortung der Fachkräfte nicht verdrängen. Wir lehnen jede Form von Standardisierung oder „Verschulung“ ab, die Selbstbildungspotentiale der Kinder negiert. Auch sollte kein „Technologiedruck“ in Kitas entstehen, denn wenn KI zur „Pflichtanwendung“ wird, geraten Fachkräfte in Zugzwang, auch dann, wenn es pädagogisch nicht passt oder sie sich noch nicht sicher fühlen.

Bei allen Überlegungen muss die Kostenfrage transparent und vorrangig geklärt werden. Die hohen Investitionen in Infrastruktur, Lizenzen und Qualifizierung dürfen nicht zulasten der ohnehin angespannten Kita-Budgets oder auf die Träger abgewälzt werden. Nur eine klare Zusage zur zusätzlichen öffentlichen Finanzierung sichert die Qualität und Teilhabe.

 

2. Chancen für eine inklusive und moderne Pädagogik

Wir sehen in einem verantwortungsvollen KI-Einsatz vielfältige Chancen, die direkt auf die Ziele der Bildungsgrundsätze NRW einzahlen:

  • KI-gestützte Assistenzsysteme können die Dokumentation und interne Organisation (z. B. Dienstplanung, Personalentwicklung) effizienter gestalten, wodurch Zeit für die unmittelbare pädagogische Arbeit freigesetzt wird. Durch strukturierte, datengestützte Beobachtungshilfen kann KI dazu beitragen, mögliche Unterstützungsbedarfe früher zu erkennen und gezielter darauf zu reagieren, vorausgesetzt, Fachkräfte behalten die Deutungshoheit und pädagogische Verantwortung.
  • Die Debatte um KI-Einsatz darf nicht vom eigentlichen Ziel ablenken, die Profession der frühkindlichen Bildung zu stärken durch mehr Personal, mehr Zeit, bessere Arbeitsbedingungen. Entlastung der administrativen Prozesse soll ausschließlich für Bildungszeit am Kind eingesetzt werden. Hier ist die Gefahr der gesellschaftlichen Beschleunigung und neu entstehender Arbeitsverdichtung vorzubeugen.
  • KI-gestützte Sprachtools und Übersetzungsdienste sind ein effektives Instrument, um Sprachbarrieren zu reduzieren und die Elternarbeit (z. B. durch mehrsprachige Informationsdienste) niederschwelliger zu gestalten. Zudem kann KI gezielte Unterstützung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen (z. B. barrierefreie Kommunikation, vereinfachte Sprache) ermöglichen und so die Teilhabe stärken.
  • Adaptive Lernsysteme ermöglichen eine präzisere individuelle Förderung, während KI-gestützte Plattformen den Wissenstransfer und die Netzwerkarbeit zwischen den Akteuren im Sinne eines inklusiven Bildungsverständnisses verbessern können.
  • KI kann dazu beitragen, digitale Kompetenzen früh, altersgerecht und spielerisch zu fördern und so Medienkompetenz als Teil von Bildungsgerechtigkeit zu verstehen.

 

3. Strukturelle und ethische Anforderungen

Der Einsatz von KI ist nur vertretbar, wenn flankierend klare strukturelle, ethische und ressourcenbezogene Maßnahmen getroffen werden.

  • Der KI-Einsatz darf keine neuen Ungleichheiten zwischen finanzstarken und ressourcenschwächeren Trägern schaffen. Es bedarf einer solidarischen Finanzierung und spezifischer Förderprogramme für kleine Träger und ländliche Regionen.
  • Um einen souveränen und kritischen Umgang mit KI zu gewährleisten, sind gezielte Weiterbildungsprogramme für Fachkräfte unabdingbar. Dies muss durch eine Kooperation und Forschung mit Hochschulen und Technologiepartnern begleitet werden.
  • KI-Systeme, die in der frühkindlichen Bildung eingesetzt werden, müssen pädagogisch und ethisch geprüft und zugelassen werden. Es bedarf klarer Kriterien, wer solche Systeme entwickelt, betreibt und kontrolliert. Eine unabhängige Prüfinstanz sollte eingerichtet werden.
  • Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, erfordert besonders hohe Standards. Es müssen Transparenz- und Nachvollziehbarkeitspflichten gesetzlich verankert und ein landesweiter Datenschutzrahmen verbindlich geregelt werden.
  • Alle eingesetzten Systeme müssen regelmäßig auf diskriminierende Strukturen oder algorithmische Verzerrungen geprüft werden. Die Sensibilität für Diversität, Mehrsprachigkeit und kindliche Ausdrucksformen ist dabei zentral. Ethische Standards müssen nicht nur benannt, sondern aktiv überwacht und weiterentwickelt werden.

 

4. Fazit

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW erkennt die Potenziale Künstlicher Intelligenz für die frühkindliche Bildung ausdrücklich an. KI kann Fachkräfte administrativ entlasten, Sprachförderung verbessern und individuelle Förderung unterstützen. Damit dies gelingt, braucht es jedoch klare rechtliche und pädagogische Leitplanken, eine gesicherte Finanzierung sowie eine behutsame Einführung über wissenschaftlich begleitete Pilotprojekte. KI darf nicht zur neuen Trennlinie im Bildungssystem werden. Ihr Einsatz muss Bildungsgerechtigkeit fördern, statt sie zu verschärfen.

Insbesondere die Kostenfrage ist von zentraler Bedeutung: Ohne eine solide, dauerhafte und zusätzliche Finanzierung droht der KI-Einsatz zu einer neuen Belastung für Träger und Einrichtungen zu werden, statt eine Entlastung für Fachkräfte und ein Gewinn für Kinder.

KI darf nicht die pädagogische Beziehung ersetzen, sondern muss diese stärken. Nur unter diesen Bedingungen kann Künstliche Intelligenz zu einem Instrument werden, das eine moderne und zukunftsfähige frühkindliche Bildung in Nordrhein-Westfalen unterstützt. 

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