Die Veranstaltung spannte den Bogen von einem Rückblick auf 20 Jahre SGB II und seine Versprechen bis hin zu einem Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen und Perspektiven der Arbeitsmarktintegration. Ziel der Freien Wohlfahrtspflege ist es, durch verlässliche Strukturen, wirksame Maßnahmen und eine enge Zusammenarbeit mit ihren Partnern vor Ort Teilhabe an und Integration in Arbeit nachhaltig zu stärken.
Die Teilnehmenden waren sich in zentralen Punkten einig. Sie fordern für die Zukunft eine langfristigere Planbarkeit der Mittel für die Verwaltung der Jobcenter und ebenso für die arbeitsmarktpolitischen Förderangebote für die leistungsberechtigte Menschen. Durch die jährliche Haushaltsplanung auf Bundesebene kommt es vor Ort zu einem ständigen Auf- und Abbau von Strukturen, was viele Ressourcen kostet. Viele bewährte Hilfeangebote können aufgrund fehlender mehrjähriger Mittelbindung nicht dauerhaft vorgehalten werden. So kommt es immer wieder zu sinnlosen Unterbrechungen oder gar Abbrüchen der Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration. Diese fehlende Kontinuität wirkt sich kontraproduktiv auf die Leistungsberechtigten aus, die auf stabile und verlässliche Unterstützung angewiesen sind.
Impulse aus Wissenschaft und Praxis
Die Veranstaltung wurde von Ralf Nolte (Vorsitzender des Arbeitsausschusses Arbeit/Arbeitslosigkeit der LAG FW NRW) und Stefan Kulozik (Leiter der Abteilung Arbeit und Qualifizierung, MAGS NRW) eröffnet. Kulozik betonte, dass es in der Arbeitsmarktintegration besonders auf das Fördern ankomme: „Fördern ist die Königsdisziplin in der Arbeitsmarktpolitik.“ Gleichzeitig hob er die wichtige Rolle der Träger der Freien Wohlfahrtspflege als verlässliche Partner in der regionalen Arbeitsmarktpolitik hervor.
Prof. Stefan Sell (Hochschule Koblenz) bereicherte die Fachtagung um wissenschaftliche Perspektiven. Seine wichtigsten präsentierten Erkenntnisse: Viele der aktuellen Diskussionen rund um das Bürgergeld wurden in den letzten 20 Jahren bereits geführt und sind letztlich vor allem populistisch und wenig zielführend. An die Bundespolitik richtete er einen klaren Appell zur sogenannten Haushaltswahrheit: Es sei notwendig, die Verwaltungshaushalte der Jobcenter realistisch auszustatten, damit die Mittel aus dem Eingliederungstitel vollständig für ihren eigentlichen Zweck genutzt werden können – die Eingliederung von Menschen in Arbeit und die Stärkung von Teilhabe durch Arbeit.
Im Anschluss diskutierten Kristin Degener (Geschäftsführung Jobcenter Wuppertal) und Frank Böttcher (Geschäftsführung Jobcenter Duisburg) über praktische Erfahrungen und Herausforderungen aus ihrem beruflichen Alltag. Sie betonten, dass die Jobcenter vor Ort unter den gegebenen Bedingungen besonders kreativ sein müssten, um weiterhin möglichst viel aktive Arbeitsmarktpolitik umzusetzen. Dabei hoben sie insbesondere die enge Zusammenarbeit zwischen Jobcentern und den regional vernetzten Trägern der Freien Wohlfahrtspflege vor.
Projektleiterin Rebecca Lo Bello und Interviewerin Sonja Gaidusch gaben Einblicke in die Studie des Evangelischen Fachverbandes Arbeit und Soziale Integration „Arbeit lohnt sich immer?!“. Die quantitative Untersuchung zeigt, dass Ängste, den Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht gewachsen zu sein, eines der größten Hemmnisse für langzeitarbeitslose Menschen beim Wiedereinstieg in Beschäftigung darstellen. Zu den insgesamt acht Lösungsvorschlägen gehört unter anderem, niedrigschwellige Begegnungsräume zu schaffen, etwa durch Einladungen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in Maßnahmen oder durch Job-Speed-Datings. Ebenso wichtig ist es, engere Vermittlungsnetzwerke zwischen Trägern und Arbeitgebenden aufzubauen.
Politischer Dialog und gemeinsame Perspektiven
In einem Podiumsgespräch diskutierten Lena Teschlade MdL (SPD), Jule Wenzel MdL (Bündnis 90/Die Grünen), Dieter Bohnes (Regionaldirektion NRW), Margarete Schwede (IN VIA Paderborn) und Stefan Kulozik (MAGS NRW) über die aktuellen arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen in Nordrhein-Westfalen. Die beiden Landespolitikerinnen erörterten, welche Strategien die Landesregierung entwickelt, um dem Arbeitsplatzverlust im Zuge des Strukturwandels wirksam zu begegnen. Den Blick aus der Praxis brachte den Margarete Schwede ein, Geschäftsführerin von IN VIA Paderborn, ein. Sie machte deutlich, dass es im SGB II bereits viele wirksame Ansätze gebe, die Menschen neue Perspektiven eröffnen – vorausgesetzt, die finanziellen Mittel für deren Umsetzung stehen zur Verfügung. Schwede lobte den engen Austausch mit den Jobcentern und regionalen Unternehmen, die die Unterstützung von IN VIA bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen sehr schätzen. Darüber hinaus stellt IN VIA Paderborn selbst zahlreiche Menschen, die zuvor Hilfen zur Arbeitsmarktintegration erhielt, anschließend sozialversicherungspflichtig in seinen Sozialen Betrieb ein. Zugleich formulierte Schwede konkrete Vorschläge, wo die Rahmenbedingungen verbessert werden müssen, um die Arbeitsmarktintegration künftig noch wirkungsvoller zu gestalten. Dieter Bohnes (Leiter Markt und Integration SGB II der Regionaldirektion NRW) wies darauf hin, dass seit der Einführung des SGB II die die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gestiegen ist; ein Erfolg, den man nicht übersehen sollte.
Ralf Nolte zog abschließend ein positives Fazit: „Die Fachtagung hat nicht nur den Rückblick auf 20 Jahre SGB II ermöglicht, sondern auch verdeutlich, wie wichtig kontinuierliche Förderung und enge Partnerschaften für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration sind.“ Mit der Veranstaltung setzte die Freie Wohlfahrtspflege NRW ein deutliches Zeichen für eine zukunftsorientierte Arbeitsmarktpolitik – ein Format, das nach Auffassung aller Teilnehmenden auch künftig unverzichtbar bleibt.