Direkt zum Inhalt der Seite springen

Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | Detail

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW fordert mehr berufliche Qualifizierungen für Langzeitarbeitslose

Düsseldorf, 13. März 2018. Je besser qualifiziert Arbeitslose sind, umso leichter finden sie zurück auf den Arbeitsmarkt. Doch wer Hartz IV bezieht, profitiert kaum von beruflichen Weiterbildungsangeboten. Das belegt der aktuelle Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW.

In Nordrhein-Westfalen war im Jahr 2017 mehr als jeder fünfte erwerbsfähige Einwohner (22,7 Prozent) ohne Berufsabschluss arbeitslos. Während Fachkräfte in der Regel schnell eine Stelle finden, ist die Situation für Geringqualifizierte fast aussichtslos. Bundesweit steht neun arbeitslos gemeldeten geringqualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern ein Stellenangebot gegenüber. "Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt können wir nur mit Aus- und Weiterbildungen erhöhen", sagt Christian Heine-Göttelmann, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Auch wenn der Fachkräftemangel in NRW derzeit noch berufsspezifisch und regional begrenzt sei, klagten Arbeitgeber auch hier über zunehmende Probleme, Stellen zu besetzen.

Doch von beruflichen Aus- und Weiterbildungen sind geringqualifizierte Arbeitslose weitgehend ausgeschlossen, wie der aktuelle Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW belegt. Obwohl rund 70 Prozent der arbeitslosen Hartz IV-Empfänger keine betriebliche oder schulische Ausbildung vorweisen können, werden ihnen eher Bewerbungstrainings und andere aktivierende Maßnahmen angeboten. Nur jede sechszehnte Fördermaßnahme im Hartz IV-System entfiel 2017 auf Maßnahmen zur Berufswahl, Berufsbildung oder beruflichen Weiterbildung. Im System der Arbeitslosenversicherung war es hingegen etwa jede vierte.

"Diese Zahlen spiegeln Verfehlungen in der Arbeitsmarktpolitik des letzten Jahrzehnts wider", kritisiert Heine-Göttelmann. "An- und ungelernte Arbeitslose müssen viel mehr Angebote zur beruflichen Weiterbildung erhalten, die ihnen idealerweise konkrete Perspektiven auf einen Berufsabschluss eröffnen." Dazu seien neue Konzepte nötig, die die Wünsche und Talente von Menschen im verfestigten Hartz IV-Bezug berücksichtigten, etwa handwerkliches Geschick und Kreativität. Gleichzeitig benötigten sie aufgrund von problembelasteten Biografien, fehlenden Schulabschlüssen, wenig Lernerfahrung oder schlechten Deutschkenntnissen begleitende Unterstützung.

Die Freie Wohlfahrtspflege fordert, mehr in die Qualifizierung insbesondere von un- und angelernten Arbeitslosen zu investieren und die Mittel dafür deutlich zu erhöhen. "Genau dort, wo die Not der Menschen und die Potenziale zur Fachkräfteentwicklung besonders groß sind, wird am wenigsten investiert. Das widerstrebt nicht nur jedem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden, sondern auch der Vernunft", so der Vorsitzende. Für viele Arbeitslose, aber auch etliche prekär beschäftigte Menschen - darunter viele Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchtete - kann nach Ansicht der Wohlfahrtsverbände eine nachholende Berufsausbildung oder abschlussbezogene Weiterbildung ein wichtiger Baustein zu Integration und Teilhabe sein. Mehr anschlussfähige zwei- und dreijährige Ausbildungsgänge, geförderte Umschulungen, Teilzeitausbildungen sowie Vorbereitungskurse auf die Externenprüfung bieten sich hierzu als Wege an.

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW nimmt den Arbeitslosenreport auch zum Anlass, auf die schwierige Situation am Ausbildungsmarkt im einwohnerstärksten Bundesland hinzuweisen. Im Ausbildungsjahr 2016/2017 gab es im Schnitt für fünf Bewerber lediglich vier Ausbildungsplätze. Individuell oder sozial benachteiligte junge Menschen sowie Geflüchtete haben es unter diesen Umständen besonders schwer. "Bei den jungen Menschen müssen wir die Trendwende einläuten, damit zu den insgesamt knapp 400.000 arbeitslosen Menschen, die in NRW heute ohne Ausbildung dastehen, morgen nicht weitere hinzukommen", fordert Christian Heine-Göttelmann.

Hintergrund:
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den "Arbeitslosenreport NRW". Darin enthalten sind aktuelle Zahlen und Analysen für Nordrhein-Westfalen; Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Jede Ausgabe widmet sich einem Schwerpunktthema. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung (ISAM) der Hochschule Koblenz.

Ziel der regelmäßigen Veröffentlichung ist es, den öffentlichen Fokus auf das Thema Arbeitslosigkeit als wesentliche Ursache von Armut und sozialer Ausgrenzung zu lenken, die offizielle Arbeitsmarktberichterstattung kritisch zu hinterfragen und dabei insbesondere die Situation in Nordrhein-Westfalen zu beleuchten. Alle Ausgaben des Arbeitslosenreports sowie weiterführende Informationen unter: <link http: www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de initiativen arbeitslosenreport-nrw>www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de/initiativen/arbeitslosenreport-nrw