Die 42 Beratungsstellen für Antidiskriminierungsarbeit haben im Jahr 2023 906 Beratungen aufgenommen. 713 Beratungsfälle sind in diesem Zeitraum abgeschlossen worden. Der Beratungsschwerpunkt lag im Machtverhältnis Rassismus (72,8%), insbesondere Antimuslimischer Rassismus ist auf hohem Niveau gestiegen (48,5% der Rassismusfälle). Dies kann zum Teil auf die stark steigende Zahl antimuslimischer Vorfälle nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zurückgeführt werden. Der sprunghafte Anstieg antisemitischer Vorfälle nach dem 7. Oktober führte noch nicht zu einem erhöhten Beratungsaufkommen (5,2%). Beratungen zu Diskriminierungen im öffentlichen Raum haben mit 9,4% der Beratungen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugenommen (+4,5%). Im Verlauf des Jahres hatte es mehrere populistisch geführte Debatten über Flucht, Migration und Integration gegeben, die einen Nährboden für Diskriminierungen und Übergriffe insbesondere gegen muslimisch markierte Personen und Einrichtungen darstellen.
„Unser Bericht zeigt: Diskriminierung ist gesellschaftliche Realität. Sie ist Alltagserfahrung und hat starke Auswirkungen auf das Leben Betroffener. Das können wir alle gemeinsam als Gesellschaft nicht hinnehmen. Antidiskriminierungsberatung ist ein wichtiger Ansatz in der Antidiskriminierungsarbeit. Im Vergleich zu anderen Bundesländern sind wir in NRW gut aufgestellt. Von einer flächendeckenden, das heißt wohnortnahen, zugänglichen und qualifizierten Antidiskriminierungsberatung sind wir aber noch weit entfernt. Dafür braucht es einen quantitativen und qualitativen Ausbau, vor allem aber auch eine verlässliche und auskömmliche Finanzierung der Antidiskriminierungsarbeit“ sagt Projektleiterin Mira Berlin.
NRW braucht einen stärkeren Diskriminierungsschutz
Die Antidiskriminierungsberatung im Netzwerk ada.nrw konnte im Jahr 2023 trotz vielfältiger Herausforderungen viele Betroffene von Diskriminierung stärken, sie bei der Umsetzung ihrer Ziele begleiten und Impulse für die Weiterentwicklung des gesellschaftlichen und institutionellen Umgangs mit Diskriminierungen setzen. In der Antidiskriminierungsberatung wird deutlich, dass Rechte nicht effektiv eingefordert werden, wenn außergerichtliche Ansätze nicht erfolgreich sind, da es in vielen Bereichen an konkreten Handlungsmöglichkeiten fehlt, Erfolgsaussichten schlecht einzuschätzen sind oder Ratsuchende nicht klagen möchten oder können. Um die Handlungsmöglichen von Menschen mit Diskriminierungserfahrungen zu verbessern, braucht es mehr Unterstützung und einen stärkeren Rechtsschutz bei Diskriminierung.
„Die Landesregierung muss ihr Versprechen endlich einlösen und ein starkes Landesantidiskriminierungsgesetz für NRW verabschieden“, so Carolin Arévalo, juristische Begleitung der Beratungsstellen.
Zwei Notwendigkeiten, die bei der Erarbeitung eines Landesantidiskriminierungsgesetz in NRW unbedingt mitgedacht werden sollten, werden durch die Erfahrungen aus der Antidiskriminierungsarbeit im Bericht unterstrichen:
- Es sollte ein Diskriminierungsverbot und konkrete und umfassende Ansprüche im Falle von Verstößen für alle Bereiche staatlichen bzw. öffentlichen Handelns auf Landesebene in einem Landesantidiskriminierungsgesetz NRW verankert werden. In diesen Bereichen gibt es bisher keine umfassenden Rechtsschutzmöglichkeiten.
- Um Diskriminierungen auch dann ernst zu nehmen, wenn Betroffene nicht klagen möchten oder können, sollte ein Verbandsklagerecht eingeführt werden.
Auch weitere Gesetze, wie das Polizeigesetz NRW und das Schulgesetz NRW, müssen mit Blick auf einen umfassenden Diskriminierungsschutz angepasst werden. Darüber hinaus braucht es eine umfassende Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), eine bessere Versorgung mit sensibilisierten Therapeuten*innen, mehr spezialisierte Rechtsanwälte*innen und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten für Anwalts- und Prozesskosten.
Bei Rückfragen und für die Vermittlung von Interviewpartner*innen stehen wir gerne zur Verfügung.
Den vollständigen Bericht finden Sie unter fachportal.ada.nrw.
Kontakt Modellprojekt Dokumentation und Berichtswesen
Mira Berlin
Verbandsübergreifende Antidiskriminierungsarbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW c/o
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